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Erfahrungsbericht aus der Begleitung

Wenn die Seele weint – Vom unsichtbaren Leid eines erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs

Ein Erfahrungsbericht aus der Begleitung durch den Verein Stiller Stern Trier e.V.

Vor drei Jahren traf sie eine Entscheidung, die nie wirklich ihre eigene war. Heute, mit 25, beginnt sie zum ersten Mal darüber zu sprechen – erschöpft, aber nicht mutlos vom jahrelangen Schweigen. Sie will verstehen, was passiert ist. Und endlich nicht mehr allein damit sein.

Der Schwangerschaftsabbruch war kein selbstbestimmter Entschluss. Ihr Freund setzte sie massiv unter Druck – mit Drohungen, Schuldzuweisungen und psychischer Erpressung. Kein körperlicher Zwang, aber ein systematischer Abbau ihres Selbstwerts und ihrer Entscheidungsfreiheit.

Der Preis dafür ist hoch. Seit dem Eingriff leidet sie unter schweren Depressionen. Schlafstörungen, soziale Isolation, wiederkehrende Schuldgefühle. Was wie eine „Lösung“ erschien, wurde zum inneren Gefängnis.

Warum hat sie drei Jahre geschwiegen?

  • Weil Scham sie lähmte. Die Angst, nicht stark genug gewesen zu sein.
  • Weil Angst sie einschnürte. Angst vor der Reaktion der Familie, vor Verachtung, vor der eigenen Wahrheit.
  • Und weil ihr kultureller Hintergrund keinen Raum für Zweifel ließ. In ihrer Familie spricht man nicht über Sexualität, nicht über unerwünschte Schwangerschaft – und ganz sicher nicht über Abtreibung.

Heute spricht sie. Und wir hören zu- und wollen helfen.

  •  240 StGB stellt die Nötigung einer Schwangeren zum Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich unter Strafe. Doch psychische Gewalt lässt sich schwer beweisen. Was moralisch eindeutig verwerflich ist, bleibt juristisch oft unerreichbar. Die Betroffenen bleiben allein – mit ihrer Geschichte, ihrem Schmerz, ihrer Ohnmacht.

Die Dunkelziffer ist nicht zu bemessen. Und niemand weiß, wie viele Frauen schweigen.

Deshalb prüfen wir gemeinsam mit einem Rechtsanwalt nun die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Klage auf Schmerzensgeld. Hier gilt grundsätzlich eine dreijährige Verjährungsfrist, beginnend mit dem Zeitpunkt, an dem die betroffene Person Kenntnis von der Schädigung und der verantwortlichen Person hat. Bei schweren Traumafolgen kann sich dieser Zeitpunkt verzögern – genau das wird aktuell juristisch bewertet. Die Chancen stehen gut.

Den Verlust um ein verlorenes Leben kann man nicht in Geld aufwiegen. Doch vielleicht kann ein juristisches Verfahren helfen, der jungen Frau und dem Kind, das sie nie kennenlernen durfte, wenigstens die Würde zurückzugeben.

Es geht um mehr als Schadenersatz – es geht um Anerkennung, um das Recht zu trauern und um den Schritt zurück in die Selbstbestimmung.

Denn auch wer gezwungen wurde zu schweigen, hat das Recht, sich Gehör zu verschaffen. Und manchmal beginnt Heilung genau dort, wo man endlich glaubt: Ich darf wieder hoffen.

Ich selbst habe während Schwangerschaften mehrere Kinder verloren. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Schmerz keinen Raum bekommt – und wie heilsam es ist, wenn er endlich gesehen wird. Deshalb engagiere ich mich seit Jahren für den Verein Stiller Stern Trier e.V. und stehe betroffenen Müttern und Eltern als Ansprechpartnerin zur Seite – auch in englischer, französischer und spanischer Sprache. Denn Trauer braucht Worte. Und die Möglichkeit ausgesprochen, gehört und verstanden zu werden.

– Karolin